ElternSTIMME e.V. kritisiert die Pläne der Bildungsministerin, Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf an Förderschulen zu verweisen. Die Schleswig-Holsteinische Bildungsministerin Karin Prien hat eine Verordnung entworfen, nach der Schüler:innen mit sozial-emotionalem Förderbedarf von Regelschulen an Förderzentren verwiesen werden dürfen. Dieses Vorgehen verstößt nach unserer Ansicht gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Rückschritt bei Inklusion
Die Pläne der Bildungsministerin, Kinder mit sozial-emotionalem Förderbedarf künftig dauerhaft von Regel- an Förderschulen verweisen zu dürfen, stehen dem Leitbild der Inklusion entgegen, dem sich die Schleswig-Holsteinische Landesregierung verschrieben hat. Nach unserer Ansicht ist der Entwurf ein deutlicher Rückschritt in Sachen Inklusion. Das Ziel muss sein, dass jedes Kind das Recht hat, an einer Regelschule unterrichtet und dort bedarfsgerecht gefördert zu werden, so wie es z.B. in Hamburg bereits erfolgreich gehandhabt wird. Wir setzen uns seit zwei Jahren unter anderem für mehr Bildungsgerechtigkeit ein. Inklusion ist dabei ein zentrales Thema.
Vorbild Hamburger Inklusionsmodell
Damit Inklusion nach dem Vorbild Hamburgs gelingen kann, müssen an den Schulen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. In Hamburg wurden die Förderschulen fast vollständig aufgelöst. Alle Kinder haben dort das Recht auf Unterricht an einer Regelschule und die Stadt stellt die nötigen Mittel zur individuellen bedarfsgerechten Förderung jedes Kindes zur Verfügung.
Ausbau Lerngruppen Erziehungshilfe
Eine Alternative zu dem Hamburger Inklusionsmodell wäre die landesweite Einführung und der weitere Ausbau der sogenannten Lerngruppen Erziehungshilfe, die es in Lübeck an einigen wenigen Grundschulen bereits bereits gibt. Hier werden Kinder mit Unterstützungsbedarf im sozial-emotionalen Bereich ergänzend zum Unterricht in ihren Klassen stundenweise in kleinen festen Gruppen unterrichtet. Die Zusammenarbeit von Eltern und Schule ist eng. Es kann flexibel auf die Bedarfe der Kinder eingegangen werden, ohne dass sie aus ihrem Klassenverband genommen werden. Wenn ein Kind erhöhten Förderbedarf hat, dürfen die Schulen damit nicht allein gelassen werden. Das Land steht in der Verantwortung, die erforderlichen personellen und räumlichen Bedingungen zu schaffen, damit jedes Kind an einer Regelschule bedarfsgerecht gefördert werden kann. Die Kinder einfach aus ihrem sozialen Umfeld zu nehmen, kann nicht die Antwort darauf sein, dass die Landesregierung es bisher versäumt hat, die notwendigen Voraussetzungen für gelingende Inklusion zu schaffen. Vielmehr sind diese Rahmenbedingungen umgehend von Ministerin Prien auf den Weg zu bringen, damit die Rechte der Kinder mit sozial-emotionalem Förderbedarf gewahrt werden.
Viele Planstellen an Förderschulen offen
Der Vorschlag der Bildungsministerin lässt zudem unberücksichtigt, dass die Förderzentren vielerorts unterbesetzt sind. Der Fachkräftemangel macht sich auch hier bemerkbar. Viele Planstellen an Förderschulen sind offen. An einer personell unterbesetzten Förderschule kann man Kindern mit erhöhtem Förderbedarf genauso wenig gerecht werden, wie an Regelschulen, an denen die notwendigen Fachkräfte für gelingende Inklusion fehlen. Man würde den Kindern nicht helfen, sondern nur die Probleme verlagern. Außerdem würde das geplante Vorgehen das Recht der Eltern auf freie Schulwahl verletzen. Nach unserer Ansicht stehen die Pläne der Bildungsministerin der UN-Behindertenrechtskonvention massiv entgegen. Diese verbietet Ungleichbehandlung aufgrund einer Behinderung.
UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen
Auch unter betroffenen Eltern lösen die Pläne Empörung aus, wie z.B. bei Mascha Benecke-Benbouabdellah, Selbstständige und Mutter zweier Kinder, eines davon mit Behinderung: „Die CDU zeigt sich als Meisterin in der Rolle rückwärts in Sachen Inklusion. Anstatt endlich zu akzeptieren, dass Inklusion ein Menschenrecht ist und alle Energie und alles zur Verfügung stehende Geld in eine gute Schule mit optimaler Förderung und Betreuung für alle Schüler:innen Schleswig-Holsteins zu stecken, versucht Ministerin Prien, das rechtswidrige Konstrukt Förderschule mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Wo, wenn nicht in Schule und Kita beim gemeinsamen Lernen und Spielen sollen Kinder denn erfahren können, dass jedes Kind irgendwie anders und irgendwie normal ist, gut und richtig, so wie es ist? Ich wünsche mir für meine Kinder eine Schule, in der das Miteinander zählt und Kinder so angenommen werden, wie sie sind.”
Wir fordern die Landesregierung auf, ein Inklusionskonzept zu entwickeln, dass die bedarfsgerechte Förderung aller Schüler:innen an Regelschulen ermöglicht und dies mit entsprechenden Landesmitteln zu hinterlegen.