Eltern in Coronakrise
20 AprViele Eltern stehen derzeit vor großen Problemen. Sie fühlen sich allein und hilflos. Wir sammeln gemeinsam mit dem Bündnis Kitakrise eure Geschichten aus Lübeck, Schleswig-Holstein und ganz Deutschland und veröffentlichen sie hier anonym. Diese Geschichten sind keine Einzelschicksale sondern die Folgen struktureller Probleme. So können wir uns Gehör verschaffen und Eltern eine Stimme geben.
Geschichte 1
"Wir sind schwer gestresst: Gleichbleibendes (teilweise sogar gestiegenes) Arbeitspensum beider Erwachsener Personen im Haushalt. Keine externe Entlastung bei der Kinderbetreuung möglich. Wir arbeiten im Schichtdienst (6:00 bis 12:00) und (13:00 bis 19:00). Zeit für persönliche Pausen gibt es nicht. Um ein Arbeitszimmer einrichten zu können, hat meine ältere Tochter (4) ihr Zimmer aufgeben müssen. Wir leben auf 70 qm und die Tatsache, dass die Spielplätze geschlossen sind, macht das Leben mit zwei bewegungsfreudigen Kindern (1,5 und 4 J.) gerade nicht einfacher. Die Nerven liegen blank. Vorgestern hatte die Ältere einen Wutanfall und ich war so gestresst und ermüdet, dass ich nur mit großer Anstrengung mich davon abhalten konnte, sie zu schlagen. So sieht das bei uns aus. Wenn die KITA bis 1. August geschlossen bleibt, dann muss ich jetzt in Elternzeit gehen - damit wir hier alle keinen Schaden nehmen. Aber ohne Planungssicherheit fällt es mir schwer den Antrag einzureichen - und dann kann ich ja auch erst in 6 Wochen gehen..."
Geschichte 2
“Ich kann nicht arbeiten (habe vor 8 Monaten mein eigenes Unternehmen gegründet), weil mein Kind meine völlige Aufmerksamkeit braucht. Mein Mann arbeitet Vollzeit von ca. 8-20 Uhr und kann mich nicht unterstützen. Zudem bin ich im 8. Monat schwanger und ich weiß nicht, wie ich die Situation weiter meistern soll. Auch nicht mit dem Neugeborenen. Das deprimiert mich sehr.”
Geschichte 3
„Ich bin Krankenschwester, somit systemrelevant. Leider passe ich nicht in das System. Da ich zwei behinderte Kids habe, ist der Weg steinig: Fremdbetreuung schwer, Tagespflege geschlossen, Förderschule offen aber kein Fahrdienst. Wenn Betreuung des Schulkindes dann auch nur bis 12:30 Uhr. Ich arbeite aber bis 14:00 Uhr. Bin somit gerade am verhandeln. Sonderurlaub? Elternzeit? Dieses neben den Kids, den Hausaufgaben etc. Jeder kennt es. Und dann noch allein. Langsam gehen mir Ideen und Kraft aus. Alle Fördereinheiten für die Kids sind auch gerade nicht vorhanden.“
Geschichte 4
„Meine Kinder sind 1,5 und 3. Meine Familie ist am anderen Ende Deutschlands und der Kindsvater lebt in der Schweiz. Durch die Grenzschließung innerhalb und außerhalb Deutschlands, bekomme ich keine Unterstützung. Tagsüber arbeiten ist unmöglich, somit bleiben mir nur die Abendstunden. Aktuell gehen meine Werktage von 7 bis 0 Uhr (ab 20/21 Uhr berufliche Arbeit). Manchmal arbeite ich länger, da ich aufgrund der Geschwindigkeit und der technischen Ausstattung zu Hause das doppelte an Zeit benötige. Das ist nicht mehr lange machbar. Der Haushalt bleibt schon längst auf der Strecke, da nun alles unter einen Hut gebracht werden muss. Einkaufen gehen wir nur direkt zur Ladenöffnung, da man angefeindet oder schräg angesehen wird. Selbst als Mörderin würde ich schon beschimpft. Das nur, weil man anfangs, und auch jetzt noch, immer wieder betonte, dass Kinder der Träger des Virus sind. Alleinerziehende haben es so schon schwer, aber jetzt noch dreimal schwerer.“
Geschichte 5
„Mein Kind ist nicht mehr in Kontakt mit Deutschsprache“
Geschichte 6
"Im normalen Leben sind wir sowas wie Freelancer. Der Mann ist selbständiger Gastronom, ich arbeite im Minijob, zusätzlich noch einige Stunden selbständig und bin zugleich mit K3 (1 Jahr) zuhause. K1 ist in der Schule (1. Klasse), K2 im Kiga. Beide sind natürlich nun zuhause, da weder Mama noch Papa systemrelevant arbeiten. Da der Betrieb jetzt komplett geschlossen ist, hätte der Mann jetzt eigentlich Zeit, mal K1-K3 zu nehmen, damit ich wenigstens die paar Stunden extern arbeiten kann (des bisschen Geldes wegen, aber vor allem, damit ich mal Luft holen kann), er nutzt allerdings die zufällige Anwesenheit meiner Mutter (74, normalerweise in Südosteuropa weilend, aber hier gestrandet), um die notwendigen Renovierungen am Haus zu machen. Die Wohnsituation ist etwas angespannt und der Mann den gesamten Tag auf dem Gerüst an der Fassade verschwunden. Die Einkäufe erledigt zurzeit komplett meine Mutter (will sie so!), da ich immer mindestens 2 Kids mitnehmen müsste und das ewig umständlich ist. K1 besucht von Zeit zu Zeit einen Freund, der sonst auch durchdreht. K2 ist völlig unterfordert und kommt durch K3 ständig zu kurz. Ich kann nicht so gut kochen und ihr könnt euch vorstellen, dass sich das bei 3 Kindern und 3 Erwachsenen als mein absolutes Hassthema entpuppt. Da wir zurzeit nun also ohne Einnahmen dastehen, habe ich zum ersten Mal in unser beider Leben Grundsicherung beantragt (der vereinfachte Antrag: 33 Seiten Antrag und Anlagen plus Belege), was ich einfach schrecklich finde. Die Aussicht auf mindestens einen weiteren Monat mit 3 Kindern zu Hause ohne einen Tag Pause und damit verbunden die gefühlte geistige Verwahrlosung von K1 und der Seiltanz zwischen Mutter und Mann betrüben mich zutiefst, abgesehen davon, dass diese immer intensivere Streiterei der zwei Großen meine gute Laune und Zuversicht zermürbt.“
Geschichte 7
„Ich, autoimmunkrank, in der Gehfähigkeit eingeschränkt und ein starkes Immunsuppresiva, also gehöre ich zur Risikogruppe. Mein Mann, Bestatter und selber nicht so fit aufgrund eines Unfalls, gehört nicht zu einem systemrelevanten Beruf. Also ist unser Sohn 2½ zu Hause, der versteht natürlich so langsam die Welt nicht mehr. Ich mache eine Umschulung, ich soll Homeoffice machen. Tagsüber fast nicht möglich, abends bin ich froh, wenn ich meine Ruhe habe. Mittlerweile mag unser Sohn noch nicht einmal mehr Fern gucken, sein Spielzeug wird ihm langweilig schon nach kurzer Zeit.“
Geschichte 8
"Fünf Wochen. Seit fünf Wochen leben wir als Eltern von zwei Kindern am Limit. Und darüber hinaus. Seit fünf Wochen versuchen wir Homeoffice, Selbständigkeit, die Bedürfnisse von zwei kleinen Kindern (2 und 5) und unsere Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, ohne uns dabei selbst aus den Augen zu verlieren. Mal in Ruhe einen Kaffee trinken, etwas Zeit für sich haben - ohne eine klebrige Kinderhand, die an deinem Pullover zehrt, weil eben doch gerade nur Mama (oder wahlweise auch Papa) das Problem mit Tiptoi, Toniebox, dem kleinen Bruder, der großen Schwester lösen kann. Der es ganz egal ist, dass gerade der Prokurist deines Großprojekts in der Leitung ist oder du mit Therapeuten oder Ärzten telefonierst. Das kommt nämlich bei uns noch hinzu. Wir übernehmen nicht nur die Aufgabe zu versuchen, neben dem Homeoffice ganz annehmbare Eltern und Kumpels zu sein, die so sehr fehlende Kita mit sozialen Kontakten irgendwie zu ersetzen, sondern sind zudem noch Physiotherapeuten, Logopäden und Frühförderer, arbeiten die Teletherapien vor oder nach, überzeugen die Kinder, dass es wichtig ist, die Übungen nicht nur bei Anke, Carola, Birte und Astrid zu machen, sondern auch mit uns. Zwischendrin versuchen wir, uns nicht selbst zu verlieren. Was schwer genug ist in der #Coronakrise als #CoronaEltern und #PflegendeAngehörige mit einem Kind aus der #Risikogruppe, welches schon mit Lungenentzündung beatmet wurde. Eltern brauchen Unterstützung, lasst uns nicht im Stich!"