Bericht vom JHA
17 FebIm Jugendhilfeausschuss der Hansestadt Lübeck am 6. Februar 2020 wurde uns von Senatorin Kathrin Weiher vorgeworfen, mit unserer Pressearbeit unsere "Heimatstadt mit Dreck" zu bewerfen. Außerdem wurde behauptet, in Lübeck gäbe es nahezu kein Kind auf den Kita-Wartelisten. Wie es dazu kam und was inhaltlich zur KiTa-Reform besprochen wurde, könnt ihr hier in unserem Bericht nachlesen:
Bericht vom Jugendhilfeausschuss Lübeck am 6.2.2020
Dieser Jugendhilfeausschuss war besonders. Es war ein bisschen wie in der Bürgerschaft, denn wir haben die meiste Zeit damit verbracht, die Tagesordnung zu diskutieren. Genauer gesagt, ob alle Anträge zum Thema KiTa vertagt werden oder nicht. Der Ausschussvorsitzende (SPD) hat klargestellt, dass jedoch keiner vor hat, Gelder zu verschieben. Alle Parteien seien sich einig, dass die Qualität in den KiTas nicht abgesenkt werden soll. Man benötige eine vernünftige Berechnungsgrundlage. Erst dann kann man eine seriöse Planung machen und über Anträge entscheiden. Frau Senatorin Weiher hat die Vertagung in einer langen Rede begründet. Sie erwähnte die Zeitungsartikel der vergangenen Tage in den Kieler und Lübecker Nachrichten. Es hätte ihr schon gefehlt, dass sie nicht persönlich angegriffen wurde in den letzten Wochen. Nach dieser ironischen Spitze folgte ein langes Plädoyer für das KiTa-Reform-Gesetz. Alles richtig, alles gut. Durch den Deckel der Elternbeiträge hätten viele Einrichtungen große Einbußen im Bereich der Erträge. Aber das was die Einrichtungen an Erträgen einbüßen, das hätten ja dann die Eltern im Portemonee. Von daher könne das nicht so ganz passen, was Frau Scharfe - also ich - von sich gegeben hätte: Die Eltern müssten viel mehr bezahlen, aber die Träger hätten viel weniger. Der ganze Artikel heute in den LN wäre nicht seriös und nicht in Ordnung, sie hätte sich sehr darüber geärgert. Genauso wie über den Brief der KEV (Kreiselternvertretung - von Frau Senatorin Weiher meistens Kreiselternrat oder Kreiselternverband genannt), der hier nochmal allen ausgedruckt vorgelegt wurde. Es wäre, laut Frau Senatorin Weiher, völlig verloren gegangen, dass man mal mit dem Träger spricht (Anmerkung: ist im Beirat erfolgt), dass man mal mit dem öffentlichen Träger spricht, der einen ärgert, dass man sich mal bei der zuständigen Senatorin erkundigt, dass man mal einen Termin macht und ein Gespräch führt. (Anmerkung: Es gab im Januar ein Dialog-Forum der FDP mit Politikern, Eltern, Trägern und Verwaltung, in dem der Staatssekretär als Vertreter des Landes in Gegenwart von Frau Senatorin Weiher erklärt hat, vom Land würde zukünftig deutlich mehr Geld fließen, als vorher. Alle jetzt diskutierten Probleme waren dort schon bekannt und wurden angesprochen.) Es sei eingerissen, dass gleich E-Mails mit einem riesigen Verteiler in die Gegend verstreut würden - bis zur heutigen Sendung im Deutschlandfunk (Anmerkung: das war eine Hörfunkversion des Beitrags aus dem SH-Magazin, in dem es um zu wenige Kitaplätze in Lübeck ging - gedreht vor einigen Wochen, redaktionell gekürzt). Sie fände das nicht lustig, dass immer unsere selbst gemachten Probleme - die ja gar keine seien, denn wir sind ja nur noch nicht richtig informiert - aufgebauscht werden, als ob Lübeck im Bereich von Kita irgendwas schlecht machen würde. Dann folgte ein Lob auf die letzten Jahre Kita-Politik, die Budgetverträge, die daraus resultierende Planungssicherheit und Freiheit der freien Träger und die Zusammenarbeit im Jugendhilfeausschuss. Es wäre schön, wenn mal jemand merken würde, dass wir eine gute Situation in den Kitas haben. Schließlich haben wir jetzt schon viele Kitas, die bessere Standards haben als sie jetzt im neuen Kitagesetz stehen - zum Beispiel das Kitawerk mit seinen Verfügungszeiten. Sie sagte dann deutlich, die Stadt werde keinem Träger weniger Geld überweisen. Die Budgetverträge gelten ja noch bis Ende 2020. Und es wäre üblich in unserer Stadt, dass erstmal der alte Vertrag weiter gilt, solange noch kein neuer verhandelt werden konnte, von daher gäbe es immer eine Planungssicherheit. Sie findet es nicht gut, wenn sowas anders kommuniziert wird. Aktuell läuft der Prozess, wie man von den jetztigen Budgetverträgen zu den nächsten komme, es werde alles für jeden Träger unter Berücksichtigung der KiTa-Reform einzeln berechnet. Dabei gäbe es zugegebenermaßen “ein klein bisschen Personalprobleme”, die sich aber auflösen werden. Dazu kommt, dass das Berechnungsmodell des Landes erst seit letzter Woche online zur Verfügung steht. Es kommt also gerade einfach viel zusammen. Sie betonte, dass aber nirgendwo in keinster Weise böser Wille dahinterstecke. Sie arbeiten, was sie könnten und sie finden es demotivierend, wenn das in keiner Weise anerkannt wird. Keiner würde uns in irgendeiner Weise etwas Böses wollen, weder den Trägern, noch den Eltern.
Die Politik und die Verwaltung haben viele Ideen, was man mit Geld machen könnte, das übrig bleibt:
- Kompensation des wegfallenden Krippengeldes von 100 Euro pro Monat und Kind (das würde für Lübeck 1,9 Mio Euro kosten)
- Entlastung der Träger, die durch fehlende Elternbeiträge aufgrund des Deckels Minus haben (Anmerkung: laut Staatssekretär ist das bis 2024 ein Muss und keine Option)
- PiA-Ausbildung in allen Kitas
- Verwaltungskräftestärkung in den Kitas
- heilpädagogische Kräfte für Inklusionskinder
Um das entscheiden zu können, muss man erst wissen, was das alles kostet und wie viel Geld vom Land kommt. Dann kann der Jugendhilfeausschuss entscheiden, was am wichtigsten ist, was ihm am Herzen liegt. Deshalb warne sie davor, auch nur irgendeine Einzelentscheidung vorzuziehen. (Anmerkung: Sinnvoll wäre es schon, erstens zu entscheiden, dass die bestehenden Standards erhalten bleiben und zweitens ein Konzept zur Verwendung der zusätzlichen Mittel zu erarbeiten. Es ist richtig, mit 2. zu warten bis alle Zahlen vorliegen und 1. so schnell wie möglich zu beschließen.) Sie wolle sauber und korrekt arbeiten. Das sei das alleinige Anliegen. Es würde nichts vertuscht, dafür stehe sie.
Der Ausschussvorsitzende lud anschließend alle Fraktionsvorsitzenden und jugendpolitischen Sprecher und Sprecherinnen zu einem Termin mit der Verwaltung ein, um eben das zu besprechen. Dieser Termin ist nun erfreulicherweise schon für Ende Februar angesetzt. So könnte die Bürgerschaft noch in der Sitzung am 27.2.2020 möglicherweise schon etwas entscheiden. Der Termin beim Land ist zwar auch erst Ende Februar, aber zwischenzeitlich gäbe es bereits Abstimmungen per Telefon. Insofern werden alle Anträge bis heute auf diesen neuen Termin vertagt.
Antje Jansen (GAL) bedauerte, dass auch der Antrag 7.1 vertagt wird, denn der hätte nichts mit dem Kitagesetz zu tun. Es geht darum, ein Konzept zu entwickeln, wie mit verhaltensauffälligen Kindern umgegangen wird, denen der Kitaplatz gekündigt wird. Frau Senatorin Weiher merkte an, dass es in der Vergangenheit etliche Fälle von Kindern mit Behinderung oder drohender Behinderung gab, denen der Kitaplatz gekündigt wurde. Diese landeten dann oft in der Kindertagespflege oder die Eltern hatten gar keinen neuen Platz oder die Kinder landeten beim öffentlichen Träger, der ja oft der Auffangträger sei. Das neue Kitagesetz hätte diese Problematik in §18(3) geregelt: “Aus Gründen einer Behinderung oder drohenden Behinderung darf die Aufnahme eines Kindes in eine Gruppe nicht abgelehnt und ein Betreuungsverhältnis nicht beendet werden ...” - leider liest sie an dieser Stelle nicht weiter: “ ... es sei denn die Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Förderung des Kindes sind in der Gruppe nicht gegeben und können nicht mit vertretbarem Aufwand geschaffen werden. Ablehnungen sind dem örtlichen Träger mitzuteilen; dieser prüft das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1, 2. Halbsatz.” Damit wäre eine ganz große Hürde aufgebaut, die wirklich der Verbesserung diene. (Anmerkung: Diese Regelung gab es bereits im alten Kitagesetz, sogar ohne den zweiten Halbsatz. D.h. das neue Gesetz lässt eine größere Hintertür zu als das alte. Das eigentliche Problem für I-Kinder in Lübeck ist aber die in den städtischen Entgeltverträgen festgelegte Kündigungsregelung, die gar nicht direkt etwas mit dem Kitagesetz zu tun hat.)
Simone Stojan (die Grünen) fragt nach, ob sie es richtig verstanden hätte, dass das was jetzt an Qualität in Lübeck vorhanden ist, erhalten bleibt. Frau Senatorin Weiher antwortet jedoch nicht mit einem JA, sondern damit, dass sie gesagt hätte, dass von der Stadt kein Träger weniger Geld bekommen wird und das grundsätzlich erstmal davon auszugehen ist, dass jeder Träger weitermachen kann. Sie sagte weiter, wenn zum Beispiel die kirchlichen Einrichtungen weniger Kirchensteuern bekommen würden und sie bestimmte Sachen, die davon finanziert wurden, nicht weitermachen könnten, dann sei sie ja dafür nicht zuständig. Der öffentliche Träger sei dafür zuständig, die Qualität in allen Kitas gleich zu bezahlen. Und das wird die Stadt auch weiterhin tun. Im Rahmen der neuen Budgetverträge werden Tariferhöhungen, Personalerhöhungen natürlich verhandelt.
Simone Stojan macht nochmal klar, dass sie sich eine politisch klare Position der Politik in unserer Stadt wünscht, dass zumindest das erhalten bliebe, was jetzt ist. Frau Weiher anwortet, dass das grundsätzlich für alle Einrichtungn gilt. Sie entgegnet aber auch, dass wir einzelne Einrichtungen haben, die zum Beispiel 12 Stunden geöffnet sind (vermutlich ist hier die Krankenhaus-Kita KIKS! gemeint, deren Brandbrief auch unserer Homepage veröffentlicht ist). Das kann sie nicht zusichern, das muss erst verhandelt werden, sie findet das nicht gerecht. Jörn Puhle (SPD) meint, dass wir so einen Beschluss nicht bräuchten, denn nach seiner Kenntnis hätten sich alle Parteien dazu bekannt, alle würden hinter der Qualität stehen, die da ist. Es wäre unfair zu argumentieren, die GroKo wolle irgendwas im Haushaltssäckel verschwinden lassen. Ein Beschluss wäre deshalb jetzt nicht nötig. Jede Pressemitteilung vor dem angekündigten Termin würde die Diskussion negativ anheizen. Wir sollten uns alle gemeinschaftlich zurückhalten und Ruhe bewahren.
Mascha Benecke-Benbouabdellah (KEV) stellt klar, dass - wie im Brandbrief geschrieben steht - für viele Eltern gerade etwas schief läuft und dass es ihre Aufgabe als Elternvertretung ist, darauf aufmerksam zu machen, wenn Eltern damit an sie heran treten. Sie signalisiert jederzeit Gesprächsbereitschaft. Frau Senatorin Weiher verdeutlicht nochmal ihre Ansicht: Wir wären hier in Lübeck, da ruft man erstmal bei dem Träger an, der ein Problem macht. Wenn das unbefriedigend ist, gäbe es ein gemeinsames Gespräch zur Aufarbeitung mit der Senatorin. Natürlich könne man auch mit seinem jugendpolitischen Sprecher sprechen oder mit den Parteien vor Ort. Das aber an einen dicken Verteiler sogar auf Landesebene zu streuen, weil man mit EINEM Träger in EINER Stadt ein Problem hat, das wäre nicht die richtige Vorgehensweise und bringt nur böses Blut und Aufruhr. Da würde der Eindruck entstehen, in Lübeck sei in allen Kitas alles schlecht. Da wird dann nicht mehr differenziert, so ähnlich wie bei der Berichterstattung im Deutschlandfunk. Damit macht man derartig viel Schaden und bewirft seine Heimatstadt derartig mit Dreck, dass sie das nicht lustig findet. Die Kritik soll dort bearbeitet werden, wo sie entsteht, das wäre fair und anständig, so Frau Senatorin Weiher. Mascha Benecke-Benbouabdellah ergänzt, dass in dem Brandbrief ja auch Probleme thematisiert werden, die sich eindeutig an das Land richten und nicht an die Hansestadt Lübeck und signalisiert nochmal Gesprächsbereitschaft. Jörn Puhle (SPD) merkt an, dass mal wieder der Aufhänger die Öffentlichkeit sei. Im Beitrag im Deutschlandfunk wäre kein Wort von Kritik an Kiel gefallen. Kiel würde eine neue Reform machen und Lübeck würde es nicht gebacken kriegen. (Anmerkung: der DLF-Beitrag wurde vom NDR im Januar aufgenommen, da geht es um fehlende Kitaplätze. Das hat nichts mit der Kitareform und nichts mit dem Brandbrief der KEV von Anfang Februar zu tun.) Eventuell sei es ja durch die Presse falsch rübergekommen, aber man hätte ja auch sagen können, in Kiel gibt es 1.000 Kinder auf der Warteliste, in Lübeck gibt es nahezu kein Kind auf der Warteliste, denn Lübeck hätte die Tagespflege ausgebaut, Kiel nicht. (Anmerkung: Bei uns gehen fast täglich Nachrichten verzweifelter Eltern ein, die keinen Kita-Platz finden und notgedrungen Elternzeit verlängern oder auf die KTP ausweichen.) So aber treibt es die Emotionen hoch und daher appelliert er nochmal an alle, den Termin Ende Februar abzuwarten.
Simone Stojan (Grüne) verteidigt uns und stellt klar, dass die Probleme des Brandbriefs nicht neu auf den Tisch gekommen wären, sondern von Anfang an klar waren als das Gesetz noch in Arbeit war. Antje Jansen (GAL) merkt an, dass, wenn sich alle Fraktionen einig sind, die Bürgerschaft ja hätte beschließen können, dass die Qualität in den Kitas erhalten bleibt. Sie glaubt, dass die Bürgerschaft die Verantwortung hat, dass dieses Chaos so entstanden ist. Sie betont, dass die Elternvertreter das Recht haben, sich nach außen zu wenden und Druck auf die Politik zu machen. (Danke, das waren mal zur Abwechslung nette Worte über uns Eltern.) Der eine Antrag, der die bestehende Qualität sichern soll, hätte beschlossen werden können. Frau Senatorin Weiher schreitet ein, der wäre zu offen formuliert gewesen. Denn sie wird weiterhin nur das bezahlen, was sie bisher bezahlt hat, aber nicht die Fehleinnahmen aus den Elternbeiträgen. (Anmerkung: Ich hatte den Staatssekretär so verstanden, dass genau das aber der Fall sein muss - bis 2024 zumindest. Die Fehleinnahmen aufgrund des Elterndeckels sind von der Kommune bzw. dem Land an die Träger auszugleichen! Ist das vielleicht der Knackpunkt in der ganzen Debatte??) Der Ausschussvorsitzende lässt nun über die Vertagung abstimmen. Alle stimmen dafür.
Soweit meine Notizen. Ich weiß, dass viele diese konkrete und direkte Berichterstattung aus dem Jugendhilfeausschuss nicht möchten. Es ist aber eine öffentliche Sitzung, in der Gäste und Pressevertreter zugelassen sind. Und ich finde es von großer Relevanz, was da gesagt wurde: einerseits inhaltlich und andererseits über uns Eltern, die sich an die Öffentlichkeit wenden. Um genau zu sein, bin ich ziemlich entsetzt. Die Vorwürfe sind vor allen Ausschussmitgliedern und Gästen gefallen, ich habe sie mitgeschrieben und möchte sie auf diesem Weg allen Interessierten zur Verfügung stellen. Das ist mein Recht als Bürgerin von Lübeck, der angeblich von mir “mit Dreck beworfenen Heimatstadt” (Zitat Frau Senatorin Weiher s.o.).
Lübeck, den 7.2.2020 Jenny Scharfe
- Vorsitzende ElternSTIMME e.V.