Doppeltes Essengeld
29 JanLiebe Eltern, das Essengeld an den städtischen Kitas in Lübeck ist bald doppelt so teuer - statt 52,25 Euro pro Kind und Monat sollen es 106,40 Euro sein. Und jetzt bitte schlucken. Was anderes bleibt uns eh nicht übrig. Eine Familie mit 2 Kindern in der Kita hat nun pro Jahr ca. 1.300 Euro MEHRkosten alleine durch die jetzt angekündigte Erhöhung der Verpflegungskosten. Ist das wirklich so gewollt, liebe Politik?
Was ist das Problem?
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind vermutlich eingehalten: die Kita-Beiräte wurden informiert (wenn auch nur wenige Tage vor Beschluss). Die Kalkulation wurde offengelegt (wenn auch nur aus zwei Positionen bestehend). Die Politik wurde informiert (wenn auch recht kurzfristig).
Die moralischen und politischen Rahmenbedingen jedoch sind mehr als fragwürdig:
- Eigentlich ist es die SPD, die überall beitragsfreie Kitas verkündet. Nur in Lübeck nicht. Da wird nicht nur nicht freiwillig gesenkt, sondern auch noch erhöht!
- Das Land sichert Lübeck im Rahmen der KiTa-Reform millionenschweres Extrageld zu. Lübeck meint aber, es hätte dadurch Mehrkosten. Vielleicht liegt das aber u.a. daran, dass mehr Kinder und diese auch noch länger in Betreuung sind als noch vor einigen Jahren? Nur so eine Vermutung. Eine Vermischung mit dem Wunsch nach Ausgleich der Corona-Mehrkosten hat an dieser Stelle unserer Meinung nach auch nichts zu suchen.
- Die Verpflegungsgebühren wurden für städtische Kitas viele Jahre gar nicht angepasst. Jetzt also muss auf einmal noch Geld her und dann wird gleich mal um mehr als 100 % angehoben? Hätte nicht Lübeck als Konsolidierungskommune jedes Jahr aufs neue schauen müssen, kostendeckend zu wirtschaften? Das wurde dann wohl im Bereich Kita-Verpflegung jahrelang vergessen. Oder war es ein verstecktes Geschenk an uns Eltern?
- Parallel zur Erhöhung der Verpflegungsentgelte wird auch noch der Elternbeitrag für die Betreuung erhöht UND die Kernzeit reduziert. Freitags ist jetzt 13:30 Uhr Schluss ("Tut mir leid Kind, heute muss ich dich leider schon früher aus dem Mittagsschlaf wecken, Lübeck muss sparen"). Alles kommt jetzt auf einmal und schnell schnell, macht nur einmal Stress mit den Eltern ...
- Familien sind durch die Corona-Pandemie seit zwei Jahren teils weit über ihre Belastungsgrenzen hinaus gefordert. Auch die finanzielle Zusatzbelastung, beispielsweise durch die vielen nötigen Kinderkranktage ist groß. Kinder und ihre Familien haben ihren Soll zur Bewältigung der Pandemie mehr als erfüllt. Es ist Zeit, dass die Politik das anerkennt und den Familien nicht noch mehr zumutet.
- Schon 2020 gab es Unklarheiten, wie viel Geld nach Lübeck fließt... Siehe LN-Artikel unten. Das scheint immernoch so zu sein.
- Die Kosten und Bilanzen der städtischen Kitas sind nicht klar einsehbar, denn sie sind mit im Lübecker Haushalt enthalten. Die städtischen Kitas sind keine Eigenbetriebe, die finanzwirtschaftlich aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert sind. Viele Leistungen werden vermutlich aus anderen Fachbereichen erbracht, wie zum Beispiel Hausmeister, Pflege der Außenanlagen und Gebäudeinstandsetzung.
- Bis heute ist uns nicht bekannt, dass die Lübecker Überleitungsbilanz zur Evaluation der KiTa-Reform, die hätte im Sommer 2021 ans Land abgegeben sein müssen, vollständig vorliegt. Erst dann gibt es transparente Zahlen, was sich durch die KiTa-Reform verändert.
- Viele freie Träger in Lübeck berechnen jetzt auch schon um die 100 Euro für die Verpflegung. Als wir Eltern uns damals die Kalkulationen angesehen und mit der Kalkulation der städtischen Kitas verglichen haben, war eine deutliche Ungleichbehandlung offensichtlich. Aus diesem Grund forderte die KEV damals schon eine Gleichbehandlung. Das wäre möglich, indem die Verpflegung bei den freien Trägern ebenso subventioniert worden wäre, wie bei den städtischen Kitas. Jetzt, im Januar 2022 sind gerade die Fünfjahresverträge mit den freien Trägern frisch unterzeichnet (von einer Absenkung der Verpflegungskosten ist nicht auszugehen) und ausgerechnet jetzt soll das Verpflegungsentgelt in den städtischen Kitas von 52,25 Euro auf 106,40 Euro angehoben werden. Ein Zufall?
Eltern haben (k)eine Wahl
Wir Eltern fühlen uns ehrlich gesagt hintergangen und ausgenutzt. Land und Kommune schieben sich wechselseitig die Schuld zu - gespickt mit Wahlkampfslogans und Parteikämpfen. Alle sind in Pressemitteilungen bereit, Familien und Kindern einen höheren Stellenwert zu geben und sie zu entlasten – schieben sich dabei aber jeweils die Schuld der Verhinderung zu. Am Ende sollen wir Eltern dafür zahlen. Ernsthaft?
Was dagegen helfen könnte
- Alle Beteiligten werden über die Finanzierung der Kitas und fließende Gelder transparent informiert.
- Die Verpflegungskosten werden im KiTa-Gesetz gedeckelt.
- Es wird eindeutig im KiTa-Gesetz formuliert, was in die Verpflegungskosten eingerechnet werden kann und was nicht. Die bloße Offenlegung der Kalkulation hilft uns Eltern wenig, die Gebührenerhöhung zu stoppen. Auch wenn wir in allen Kita-Beiräten widersprechen und Fragen stellen, sind wir immer in der Minderheit.
- Eine echte Stärkung des Eltern-Mitspracherechts. Also wenn z.B. ein bestimmter Prozentsatz der Elternvertretungen in den Beiräten widerspricht, muss es einen runden Tisch geben o.ä.
- Eine Einbeziehung der Verpflegungskosten in die Geschwisterermäßigung würde zumindest Familien mit mehreren Kindern ein Stück weiterhelfen. Das könnte Lübeck auch für sich allein entscheiden.
Was wir noch besser fänden
- Fokus auf mehr Kita-Personal, denn das ist es, was gerade wirklich fehlt. Mehr Personal und damit bessere Arbeitsbedingungen in den Kitas. Und auch der Fachkräftemängel sollte ja jedem bekannt sein. Erhöhung des Fachkraft-Kind-Schlüssel, mehr hausinterne Springkräfte, mehr Nachwuchs.
- Und parallel dazu wünschen wir uns eine Verbesserung der Qualität der Verpflegung beispielsweise durch einen eigenen Koch oder eine Köchin für jede Kita, so dass das Essen frisch zubereitet werden kann. Denn die Gesundheit unserer Kinder sollte es uns doch wert sein, oder? Aber starten wir erstmal bei der frühkindlichen Bildung. Für ALLE.
Mehr Infos
Lübecker Nachrichten vom 21.2.2020: Bildungssenatorin: „Wir bekommen 35 statt 25 Millionen Euro“
Lübecker Nachrichten vom 5.2.2020: Kita-Reform des Landes: In Lübeck herrscht Chaos
Brief des Staatssekretärs Dr. Badenhoop vom 17.2.2020
HL-Live Artikel vom 18.1.2022: SPD: KiTa-Reform greift den Kommunen in die Taschen
Stellungnahme der KEV/SEV vom 24.1.2022
Pressemitteilung der KEV/SEV vom 27.1.2022